Was ist bloß mit diesem, unserem Land passiert? Euphorie, Freudentaumel, Rausch... Da fallen sich sonst so nüchtern daher kommende Zeitgenossen um den Hals, vereinen sich mit dem Nebenmann oder der Nebenfrau zu einer nicht mehr enden wollenden Jubeleinheit. Ähnliche Szenen konnten wir im Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung beobachten, damals gepaart mit der 1990er-WM. Die Nation im Hochgefühl.
Seit damals - immerhin ist es ja über 15 Jahre her - hat sich Deutschland verändert. Die von Helmut Kohl prophezeiten "blühenden Landschaften" blieben jedenfalls kurzfristig erstmal aus. Jahrzehnte der kommunistisch-sozialistischen Diktatur mit Planwirtschaft waren und sind erstmal vollends zu überwinden und zu verkraften - bis heute! Neue Strukturen und demokratische Instrumente und Mechanismen waren umzusetzen und zu etablieren. Auch heute noch und auf die kommenden Jahre hinaus wird Ostdeutschland am westdeutschen Tropf hängen. Die vom Alt- und Einheitskanzler verkündete Vision war als solche im ureigensten Wortsinne zu verstehen, ich denke so war sie auch gemeint. Noch lässt die Realität auf sich warten, aber langsam begrünt es sich schon. Wer in Ostdeutschland die Entwicklung der Städte und Infrastruktur gesehen hat, kann dies spüren. Die Wirtschaft muß aber auf eigene Beine kommen - dies ist die Voraussetzung. Denn schöne, moderne Innenstädte dienen sonst nur den dort noch Verbliebenen, nämlich Arbeitslosen und Alten. Die Humanwirtschaftskraft ist bereits jetzt schon in großen Teilen im Westen. Die Untersuchungen über Bevölkerungswanderung belegen dies in erschreckendem Maße. Trotzdem bin ich davon überzeugt, daß mittelfristig auch der Osten die Phase des ersten Graswachsens durchschritten haben wird und die kohlschen Blumen kommen werden.
Zugegebenermassen habe ich mich jetzt etwas thematisch verrannt. Was ich mit dem Exkurs sagen wollte, ist, daß die Menschen nach der Wiedervereinigungseuphorie in Ost und West inzwischen ernüchtert sind durch ständige Hiobsbotschaften in Sachen Finanzbelastung des Bürgers durch Steuererhöhungen, Kranken- und Sozialversicherungsabgaben und sonstigen, allgemein steigenden Kosten sowie, wen es selbst und unmittelbar betrifft, durch konkrete Arbeitslosigkeit. Das Tal der Tränen hat weit größere Ausmaße als vorher geahnt oder zumindest von der Politik offiziell benannt und eingeräumt.
Die Menschen sehnten sich nach Drogen, um diesem Realitätsleid zu entrinnen! Die Fußball-Weltmeisterschaft ist eine solche, deren Wirkung wie bei allen Drogen nach einiger Zeit wieder nachlassen und dann vollständig vorbei sein wird. Die momentan explosionsartige Entladung der innernationalen Spannungen ist deutlich wahrnehmbar. Gleichzeitig scheint eine Normalisierung der Identifikation der Bürger zur eigenen Nation und deren Symbolen vonstatten zu gehen. Was im Rahmen der Deutschen Wiedervereinigung allenfalls noch geduldet wurde, war kurz danach schon wieder verwerflich - zumindest war man unangenehm berührt, wenn Symbole unseres Staatswesens gezeigt oder gar die Nationalhymne gespielt und, noch "verdächtiger", sogar mitgesungen wurde. Ich jedenfalls freue mich über die Normalisierung der Identifikation der Deutschen mit ihrer Nation, wie sie bei unserern Nachbarn und sonst überall in der Welt ganz selbstverständlich ist.
Und ich freue mich darüber, daß es uns offenbar (zumindest bis jetzt) gelungen scheint, den WM-Slogan der Werbestrategen "Zu Gast bei Freunden" auch zu leben. Unsere Gäste sind in sehr großer Mehrzahl von der Offenheit, Freundlichkeit und Gastfreundschaft in unserem Land angetan. Dies trägt sicherlich zur Revision des eigenen Vorurteils über "den Deutschen" in der Welt bei.
Zum Schluß noch ein Wort über "unsere Jungs". Sie haben gestern ein klasse Spiel dargeboten! Selbst ich als Nicht-Fußballer bin begeistert und verfolge jedes unserer Spiele. Ich habe mich vom WM-Taumel ein bisschen anstecken lassen. Ja, ich bin stolz auf die bisherige Leistung unserer Nationalmannschaft. Wir sind jetzt im Achtelfinale - immerhin. Jetzt geht die wirkliche Fußball-WM los. Samstag gegen Schweden und dann gegen immer anspruchsvollere Gegner, die ja auch Freunde und Gäste in unserem Land sind. Auf unter dem Strich erfolgreiche Fußball-Weltmeisterschaften 2006 in Deutschland! Und auf unsere Elf - Jungs, Ihr schafft das! ;-)
Es grüßt Euch Euer M@tze.
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